Die Deutschen funktionieren gut, wenn es um Obrigkeitshörigkeit geht. Wir respektieren Hierarchien, um die Ordnung zu wahren. Wir vertrauen Vorgesetzten und Institutionen. Wir gliedern uns ein, akzeptieren unseren sozialen Rang, weil wir davon ausgehen, dass alles seine Richtigkeit hat – wer viel und gut arbeitet, wird schließlich selbst aufsteigen und sich seine berufliche und soziale Position verdient haben. Diese Ehrfurcht vor Hierarchien und sozialem Prestige haben einerseits ihre Vorteile – sie bieten eine Perspektive und Orientierung für den eigenen Weg, andererseits offenbart sich gerade eine große Tücke: politischen Meinungsmachern wird blind gefolgt, weil sie einen bestimmten Status erreicht haben.
Bildung schützt nicht vor Hass
Nur die wenigsten sagen es offen, aber bis vor einigen Jahren hatten viele Menschen ein bestimmtes Bild von Rechtsradikalen – bildungsfern, sozial abgehängt, ein kleiner Haufen wütender Menschen, die sich nie richtig mit den Gräueltaten der NS-Zeit befasst haben, aber dafür stets in Springerstiefel, Bomberjacken und ihre Glatze investiert haben. Der soziale Hintergrund der Klischee-Nazis war eine Entschuldigung für ihren Hass – sie wüssten es nicht besser, sie seien frustriert. Weil sie kein soziales Prestige hatten, wären auch die wenigsten darauf gekommen, mit radikalen Rechten zu sympathisieren. Wie sieht allerdings der moderne Nazi aus? Wer sind die Menschen, die Flüchtlingsheime abbrennen, in Clausitz Ankömminge beschimpfen oder zu Hass aufrufen? Es sind nicht mehr diese kleinen bildungsfernen Randgruppen – es scheint als seien es unsere normalen Mitmenschen.
Dass Bildung nicht vor menschenverachtenden Gedanken schützt, ist zwar nicht neu, allerdings ist die Kombination von Wissen und rechtsradikalen Werten gefährlich, weil sie suggeriert, dass bspw. Rassismus seine Berechtigung hätte. In Hitlers Kabinett gab es eine Reihe studierter Politiker: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels hatte Germanistik und Geschichte studiert, Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, Reichsfinanzminister und Großvater der AfD-Politikerin Beatrix von Storch, besuchte als angehender Jurist unter anderem die Eliteuniversität Oxford. Diese beiden Figuren haben aktiv zu den größten Grausamkeiten der Geschichte der Menschheit beigetragen und inzwischen kann man sich leider ausmalen, wie es dazu kam – Charme, Eloquenz und der Eindruck, dass jemand aus gutem Hause mit herausragender Bildung Recht haben muss.
Ähnlich, wenn (noch) nicht so radikal, scheint es auch bei den Politikern in der AfD zu sein. Gründer Bernd Lucke hat seine Promotion mit Auszeichnung bestanden, ebenso wie Frauke Petry, beide waren zudem Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Björn Höcke ist Gymnasiallehrer, Beatrix von Storch hingegen Rechtsanwältin, sie tragen schicke Kostüme und Anzüge, wirken gepflegt und gestriegelt – das imponiert. Das sind Menschen aus der sozialen Mittel- und Oberschicht Deutschlands, die wissen, wie sie komplexe Argumente aufbauen können, die zugleich zugänglich sind. Ihnen fehlt es nicht an strategischem Fingerspitzengefühl, sie lassen sich nicht leicht durch Angriffe auf ihre Intelligenz diffamieren.
Niemand kann die Wahrheit vollkommen für sich beanspruchen
Können so gebildete Menschen falsch liegen? Was bedeutet Intelligenz überhaupt? Welche Bedeutung hat die Bildung? Ist ein Fachexperte auch sozial kompetent? Was ist überhaupt noch richtig und falsch? Würde jemand rückblickend behaupten, die NS-Politik war richtig, weil gebildete Menschen diese gestaltet haben? Es sind viele Fragen, die man sich stellen muss, wenn man untersuchen möchte, was einen Menschen zu seiner politischen Einstellung bringt. Während in sozialen Medien Andersdenkende am liebsten als realitätsfern und dumm bezeichnet werden (dies passiert sowohl im linken als auch im rechten Spektrum), füttern die neuen rechten politischen Meinungsmacher den Wunsch der „besorgten Bürger“ im Recht zu sein – ihnen tut es gut, wenn die eigene Meinung salonfähig wird, ohne dass man inzwischen migrationskritische Sätze mit „ich bin kein Nazi, aber…“ einleiten muss. Jedoch ist inzwischen die Grenze von der Rhetorik zu Handlungen überschritten – Parteichefin Petry musste einräumen, dass in Clausnitz auch AfD-Mitglieder an den Anfeindungen beteiligt waren. Das sind die Geister, die sie rief.
Was dabei allerdings vergessen wird, ist die Geschichten zu hinterfragen, die einem erzählt werden. Der absolute Wahrheitsanspruch ist eine Farce – auch wenn die AfD gern behauptet, sie würde Licht ins Dunkel bringen und Fakten nennen, stimmt dies so allerdings nicht. Zwei Beispiele: beim Lieblingsthema der Partei – Migration – gibt es durchaus berechtigte Kritik, die man aufführen kann. Der Politikwissenschaftler Manfred Schmidt sieht ethnische Homogenität und eine gemeinsame Identität als Teilaspekte einer stabilen Demokratie. Dieses Argument allerdings unverhältnismäßig aufzublasen, als sei es vorbestimmt, dass Deutschland in Chaos endet, ist nicht korrekt. Niemand weiß bisweilen, wie sich die Gesellschaft entwickeln wird. Außerdem: während die AfD behauptet, dass die Bundesregierung sich über Gesetze hinwegsetzt und Migration die Demokratie gefährdet, sind es jedoch genau jene AfD-Sympathisanten, die mit Gewalt und Hass die deutsche Rechtsordnung aushebeln. Gewalt und Brandstiftung sind Straftaten, Selbstjustiz schwächt die Institutionen.
Bei dem eigentlichen Gründungsthema – der europäischen Finanz- und Austeritätspolitik – hat vor allem Bernd Lucke durch seine Wirtschaftsprofessur suggeriert, dass antieuropäische Politik nicht nur eine berechtigte Option ist, sondern die einzig kompetente und richtige. Besonders wenn es um Volkswirtschaft geht, glauben Wähler schnell, es gäbe so etwas wie eine richtige Lösung, die auf minutiösen Kalkulationen und Gleichungen basieren würde. Ein Irrtum. Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat nahezu komplett konträre Lösungsansätze zu Lucke vorgeschlagen und auch er hat eine beachtliche wissenschaftliche Karriere hinter sich, einschließlich des Studiums in Essex und Birmingham sowie der Lehrtätigkeit in Cambridge. Beide Männer haben solide Argumente, auch wenn ihre Ideen vollkommen gegensätzlich sind.
Weniger Ehrfurcht vor Titeln und Status
Was die neuen rechten Akteure so besonders gefährlich macht, ist dass sie nicht mehr Werte vertreten, sondern Wahrheit und Mut exklusiv für sich beanspruchen – so lassen sich andere Parteien oder die Medien am effektivsten schwächen. Diese reaktionäre Haltung zerstört aber jede politische Debatte und die eigentliche Stärke der Demokratie – es geht nicht mehr um Inhalte, es geht nur noch darum, dass derjenige, der am lautesten brüllt, vermeintlich am meisten Recht hat. Die politische Kultur verkommt zunehmend unter diesem martialischen Verhalten – Plattitüden und simple Slogans sind leichter anzunehmen, als das Hinterfragen von Politik.
Während die AfD suggeriert, sie würde die Bürger selbst gegen das Establishment denken lassen und ihm seine ehrliche Meinung lassen, kaut sie Gedanken und Argumente genauso vor wie jede andere Partei – Ideen und Thesen werden gefiltert und wirksam verarbeitet, vor allem in Form von Schuldzuweisungen („Angela Merkel hat versagt“) und Ängsten („Wir verlieren unsere Identität“). Was dem Wähler gerade jetzt in aufgeheizten Zeiten wirklich als Option bleibt, ist die Rückkehr zu dem, was eines der höchsten Güter der Demokratie ist – die offene politische Debatte anstatt sich hinter Worthülsen zu verschanzen, sich der Außerwirkung von Politikern bedingungslos zu ergeben oder gar mit Gewalt zu reagieren.
Man sieht daran, dass die Kleidung, die sich jemand zugelegt hat oder den sozialen Stand oder das Wissen, nichts damit zu hat, wie er denkt oder auf welcher Grundlage er denkt. Anders gesagt – Jeder Glatzkopf mit Springerstiefel kann sich zum angesehenen Mensch transferieren oder noch anders – man sieht auch einem Uni-Professor nicht in den Kopf.
Sehr richtig, aber es ist nun einmal so, dass Menschen anderen folgen, zu denen sie vermeintlich aufschauen können – wegen des sozialen Status z.B.
jo
„Niemand weiß bisweilen, wie sich die Gesellschaft entwickeln wird.“
Richtig, weiß niemand. Genauso wenig kann heute jemand sage wie viele Migranten bis Jahresende Deutschland erreichen werden.
Wie sich die Gesellschaft entwickeln könnte, lässt sich durchaus sagen. Ein sehr plastisches und realistisches Beispiel bieten die französischen Banlieues. Eine vergleichbare Ghettobildung lässt sich längst in Deutschland beobachten.
Ein Blick nach Schweden zeigt deutlich, dass die Stimmung dort ebenfalls am kippen ist:
„Entsprechend dieser Denkweise werden Politiker und staatliche Einrichtungen beschuldigt, die vielen „Probleme“, die mit Einwanderung und Asyl in Verbindung gebracht werden, zu ignorieren, die Bevölkerung über die wahren Kosten der Integration zu belügen und die Bedürfnisse schwedisch-stämmiger Arbeiter und Rentner zu vernachlässigen. Mit diesen Argumenten gewinnen die rechtsradikalen „Schwedendemokraten“ (Sverigedemokraterna) zunehmend an Unterstützung in der Wählerschaft.“
Vor ein paar Wochen veröffentlichte die Jüdische Allgemeine einen Kommentar, der zu Denken geben sollte:
„Das darf man nicht veröffentlichen? Damit bedient man Pegida? Die jüdische Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim schrieb um 1920 über jüdische Mädchen, die von jüdischen Mädchenhändlern in Polen geheiratet und nach Deutschland verschleppt wurden. Das Nazi-Blatt »Der Stürmer« bediente sich. Juden forderten Pappenheim auf, zu schweigen. Sie schrieb weiter. Trägt sie Schuld an dem, was dann kam?“
Vor wenigen Jahren wurden im Eilverfahren Beschneidungen, also Genitalverstümmlung an Jungen legalisiert. Nicht weil es vernünftig war, oder weil es gute Argumente dafür gibt. Sondern weil die deutsche Staatsräson gebietet, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen und zu fördern. Dass aktuell tausende Antizionisten ins Land kommen scheint keine Rolle zu spielen. Bereits jetzt denken einige jüdische Familien ans Auswandern.
Zum Islam, der ja angeblich Teil von Deutschland sein soll, gehört untrennbar der Antizionismus. Das ist Teil dieser Religion.
„Die politische Kultur verkommt zunehmend unter diesem martialischen Verhalten – Plattitüden und simple Slogans sind leichter anzunehmen, als das Hinterfragen von Politik.“
Ja, du hast vollkommen Recht. Aber was genau hat das mit der AfD zu tun? Die etablierten Parteien machen seit Jahren nichts anderes.
„Was dem Wähler gerade jetzt in aufgeheizten Zeiten wirklich als Option bleibt, ist die Rückkehr zu dem, was eines der höchsten Güter der Demokratie ist – die offene politische Debatte anstatt sich hinter Worthülsen zu verschanzen, sich der Außerwirkung von Politikern bedingungslos zu ergeben oder gar mit Gewalt zu reagieren.“
Ja! Nur wer könnte dazu fähig sein? SPD und Grüne in BaWü stampfen lieber wie kleine Kinder mit dem Fuß auf und verweigern ein Streitgespräch mit der AfD. Ein kampfloser Sieg für die AfD. Man kann sich natürlich fragen ob SPD und Grüne nicht sowieso unbewaffnet erschienen wären.
Weder NPD noch AfD sind die Ursache für Gewalt und Ablehnung. Die jüngsten Erfolge der AfD sind jedoch ein deutliches Zeichen, ein Symptom. Niemand muss Institutionen schwächen, die sich im Laufe der letzten Jahre daran gewöhnt haben, dass der Michel schön brav weiter schläft. Gewalt gegen Menschen oder Sachen sind keine Lösung. Nur wohin mit dem Zorn? Der verschwindet doch nicht einfach, nur weil ein Politdarsteller, ein schlechter noch dazu, Bürger mit Befürchtungen als Pack beschimpfen. Selbst wenn es sich um irrationale Ängste handelt gehen die nicht einfach weg; nur weil man sie ignoriert.
Wenn gewählte Politiker nicht gewillt sind, Fragen aufzunehmen und zu beantworten, wird sich der Wähler immer an den halten, der zumindest so tut als könnte er Antworten liefern. Rattenfänger sind sie zur Zeit alle, also warum nicht mal ein wenig gegen die stänkern, die seit Jahren die Verantwortung für die allgemeine Volksverarschung tragen?
Schlechte Wahlen verkraftet Deutschland seit Jahrzehnten. Die Folgen unkontrollierter Migration werden sich deutlich schwieriger beseitigen lassen wenn es schief geht.
Deutschland verbucht aktuell einen Rekordüberschuss und gehört zu den stabilsten Demokratien weltweit (The Economist Democracy Index), zeigt gute Entwicklungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit (Index of Economic Freedom, Heritage Foundation) und hat die Krise überstanden. Von einer Jahrelangen Volksverarsche zu reden, finde ich absolut unverhältnismäßig. Vor allem ist der Vorwurf der sog. „Volksverarsche“ erst gekippt wegen einer Politikentscheidung. Das ganze politische System als schwach darzustellen, ist mE falsch und irreführend.
Die AfD hat sehr wohl was mit den aktuellen Ausschreitungen zu tun – sie nehmen sich das Recht durch gezielte Bildsprache und kämpferische Attitüde Meinungen in der Gesellschaft akzeptabel zu machen, die früher nicht salonfähig waren. Das bestärkt vor allem die radikalen Ecken.
Die Beispiele aus Frankreich und Schweden müssen nicht in Deutschland eintreten – gegen Ghettoisierung kann man Wohnquoten einrichten, auch Umverteilung ist eine Frage der policy.
Antizionismus gehört übrigens nicht zur islamischen Religion, sondern zu Politikströhmungen. Das Thema ist viel komplexer, als dass man es so pauschal in einem Satz abspeisen könnte.
„Deutschland verbucht aktuell einen Rekordüberschuss“
Wo kann ich mir meinen Anteil auszahlen lassen?
Deutschland hat die Krise nicht überstanden, sondern davon profitiert. Alleine bis Ende 2011 hatte Deutschland 380 Mio Euro Zinsen aus Krediten an Griechenland verdient. Die Krise hat teilweise zu der absurden Situation geführt, dass Deutschland dank Negativzinsen sogar Geld bekam, wenn es Kredite aufgenommen hat. Die Überschüsse basieren überwiegend auf Glück.
„Von einer Jahrelangen Volksverarsche zu reden, finde ich absolut unverhältnismäßig.“
1990 Kohl: „Wir sehen keinen Grund zu Steuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit.“ Die 7,5% Solidarzuschlag sollten spätestens 1999 wegfallen.
1998 versprach Schröder die Arbeitslosenzahlen unter 3,5 Mio zu senken. 2002 waren 4,2 Mio. Das milliardenteure Programm „Jump“ zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit verpuffte ohne Auswirkung auf die Arbeitslosigkeit. Die Agenda 2010 sorgt unverändert für eine kontinuierliche Umverteilung von unten nach oben.
2002 schloss Schröder Steuererhöhungen als ökonomisch unsinnig aus. Nach der Wahl wurden die Steuern erhöht: 26 Milliarden mehr Steuereinnahmen
2005 wollte die Union die MwSt im Wahlkampf um 2% anheben. Die SPD hielt dagegen und bezeichnete das als „Merkel-Steuer“. Nach der Wahl wurde die MwSt von der großen Koalition um 3% erhöht.
2009 wurde die FDP mit knapp 15%(+4,7%) Rekordergebnis gewählt und ermöglichte Schwarz-Gelb. Versprochen wurden erhebliche Entlastungen durch Steuersenkungen für die Bürger. Die kamen dann auch – für Hoteliers. Die Rechnung bekam die Partei schließlich.
2013 Die große Koalition bekräftigt im Koalitionsvertrag die „Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ Am 1. September 2014 gibt Merkel bekannt, dass Kriegsgerät an Kurden für den Kampf gegen den IS geliefert werden.
Ich halte Volksverarsche für angemessen. Und das sind nur gebrochene Wahlversprechen.
„Das ganze politische System als schwach darzustellen, ist mE falsch und irreführend.“
Union, FDP, SPD, Grüne – kaum Unterschiede zu erkennen. Einzig DIE LINKE setzt hin und wieder Kontraste. Gerade jetzt in der Migrationskrise bekommt es unsere Regierung nicht hin ein glaubwürdiges und überzeugendes Konzept vorzustellen. Das Asylpaket II lässt sich bestenfalls als Symbolpolitik beschreiben.
„Die AfD hat sehr wohl was mit den aktuellen Ausschreitungen zu tun – sie nehmen sich das Recht durch gezielte Bildsprache und kämpferische Attitüde Meinungen in der Gesellschaft akzeptabel zu machen, die früher nicht salonfähig waren. Das bestärkt vor allem die radikalen Ecken.“
Und was tun die gewählten Parteien dagegen? Beleidigungen und Beschämungen funktionieren schon mal nicht. Glaubwürdige Alternativen? Fehlanzeige! Es bleiben noch 2 Wochen um ernstzunehmende Zeichen zu setzen um die Stimmung bis zu den Landtagswahlen zu beeinflussen. Ansonsten können CDU und SPD mit einem verdienten Desaster rechnen.
„Die Beispiele aus Frankreich und Schweden müssen nicht in Deutschland eintreten“
Deshalb schrieb ich auch könnte. Natürlich kann man dagegen etwas unternehmen. Nur muss es auch getan werden. Jetzt, und nicht erst wenn es zu spät ist. Allerdings findet diese Ghettoisierung, z.B. in Duisburg-Marxloh bereits statt.
„Antizionismus gehört übrigens nicht zur islamischen Religion“
Der Antizionismus gegen den Staat Israel kann natürlich nur jüngeren Ursprungs sein. Die zugrundeliegende judenfeindliche Haltung leitet sich jedoch direkt aus dem Koran ab. Entsprechend leiten muslimische Schriftgelehrte den Antizionismus ebenfalls aus dem Koran ab. Hinzu kommt, dass der Islam eine politische Religion darstellt und nur Gottes Recht, die Scharia als wahres Recht betrachtet wird.
Die Kennzeichnung von Juden war eine muslimische Erfindung. Im 9. Jahrhundert wurden Juden, also dhimmi gezwungen einen gelben Gürtel zu tragen.
Warum sollte dir jemand etwas auszahlen? Das ist komplett widersprüchlich zum Prinzip des Sozialstaats – der Staat nimmt ein und verteilt die Mittel da wo sie nötig sind – in Infrastruktur bspw. oder bei der Förderung von Innovation. Wenn du keine Steuern zahlen willst und dir einige widersprüchliche Aussagen von Politikern rauspickst, um vermeintlich zu zeigen, wie „schlecht“ es um die deutsche Politik steht, dann übersiehst du auch bewusst die guten Dinge, die in diesem Land umgesetzt wurden. Ich meine, es gibt einen Grund, warum Deutschland so beliebt ist – die Arbeitslosigkeit ist gering, inzwischen wurden Ideen wie die doppelte Staatsbürgerschaft oder der Mindestlohn umgesetzt – das sind Korrekturen von Fehlern, die begangen wurden.
Es wird an der Zeit Politiker zu dekonstruieren – wieso erwartet man, dass sie keine Fehler machen und wie Maschinen funktionieren? Sind sie nicht auch Menschen? Klar ist in der Vergangenheit einiges schief gelaufen und ich war auch gegen die große Koalition, aber diese Pauschalisierung zum Einheitsbrei ist auch nicht richtig. Die Union vertritt ja vollkommen andere Sichtweisen in Bezug auf Arbeitnehmerrechte, Reichen- und Erbsteuer als die SPD, die Grünen pochen weiterhin auf Subventionen für nachhaltiges Wirtschaften.
Die Linken können auch Akzente setzen – sie werden vorerst auch nicht regieren. Ihre außenpolitischen Thesen und der verbreitete Putinismus innerhalb einiger Flügel der Partei sind genauso wenig tragbar mE.
Ich finde die Modernisierung durch Atta Türk ist ein Beispiel dafür, dass es nicht immer um die Scharia gehen muss, auch Ägypten und der Iran (vor der Weißen Revolution) waren früher bedeutend moderater und moderner. Im Iran gibt es bis heute auch Quoten für die jüdische Minderheit fürs Parlament. Die Rückbesinnung zu radikaleren Formen der Religion ist eine Reaktion auf wirtschaftliche Ausbeute, postkoloniale Abhängigkeit, steigender Armut und Ungleichheit. Viele Menschen brauchen ja ein ideologisches Konzept, an das sie sich zur Orientierung halten können.
„Warum sollte dir jemand etwas auszahlen?“
Ja, warum den nicht? In einigen amerikanischen Bundesstaaten müssen Überschüsse an die Bevölkerung zurück gezahlt werden. Da der Sozialstaat seit Jahren zurück gedrängt wird, wäre das nur Konsequent.
Die tollen Sozialleistungen halten seit Jahren nicht mehr mit der Inflation schritt, was eine indirekte Kürzung darstellt. Bedürftige Menschen haben eher selten etwas davon, wenn Pelze und Kreuzfahrten im repräsentativen Warenkorb günstiger werden.
„Wenn du keine Steuern zahlen willst“
Das habe ich wo geschrieben? Ich war noch nie ein Fan von Plattitüden wie, „Mehr Netto vom Brutto“.
„und dir einige widersprüchliche Aussagen von Politikern rauspickst, um vermeintlich zu zeigen, wie “schlecht” es um die deutsche Politik steht“
Wie viele Beispiele brauchst du den? Es gibt noch genügend andere, um ganze Bücher zu füllen. Die deutsche Politik leidet unter massivem Vertrauensverlust. Der fällt doch nicht einfach so vom Himmel.
„Ich meine, es gibt einen Grund, warum Deutschland so beliebt ist“
Bei wem den? Gut gebildete, junge Leistungsträger bilden die Hauptgruppe der deutschen Auswanderer. Beliebt ist Deutschland vor allem bei den Menschen, für die „schlecht“ eine deutliche Verbesserung zu „katastrophal“ darstellt.
Potentielle Einwanderer mit guter Ausbildung gehen lieber in Länder. wie USA, Kanada, Australien oder England.
„die Arbeitslosigkeit ist gering, inzwischen wurden Ideen wie die doppelte Staatsbürgerschaft oder der Mindestlohn umgesetzt“
Die Arbeitslosenzahlen werden künstlich nach unten gerechnet und liefern längst keine greifbare Aussage mehr. Wenn du einen Indikator nutzen willst, nimm die Zahlen der Leistungsempfänger nach SGB-II.
Die doppelte Staatsbürgerschaft erfüllt welchen Nutzen für Deutschland? Oder anders gefragt, welche zweite Staatsbürgerschaft kann ich mir als gebürtiger Deutscher aussuchen um den Nutzen zu mehren? Wichtiger wäre eine vernünftige, vom Asylrecht unabhängige Einwanderungspolitik.
Der Mindestlohn rangiert im europäischen Vergleich im unteren Mittel. In der Schweiz wird diskutiert, wie man den Druck aus dem Niedriglohnland Deutschland besser regulieren könnte.
„Sind sie nicht auch Menschen?“
Ja, es sind Menschen. Menschen, denen Büros, Mitarbeiter, Ausschüsse, Wissenschaftliche Dienste uvm. bezahlt wird, damit sie ihren Job so gut wie möglich machen können. Rein menschliche Entscheidungen bekommt man deutlich günstiger an jedem Stammtisch. Fraktionszwang gibt es darüber hinaus ja auch noch.
„vollkommen andere Sichtweisen“
Ja, sicher. Nur merkt man davon nur selten etwas, sobald die Parteien in Regierungsverantwortung sind. Rot/Grün bewilligte z.B. den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr im Kosovo. Vorher sprachen sich SPD und Grüne gegen Kampfeinsätze aus.
„Die Linken können auch Akzente setzen – sie werden vorerst auch nicht regieren.“
Stimmt, werden sie nicht. Und trotzdem werden regelmäßig ihre Ideen aufgegriffen und sogar umgesetzt. Natürlich nicht auf Antrag der Linken, sondern erst mit einiger Verspätung auf Antrag einer Regierungspartei.
„Die Rückbesinnung zu radikaleren Formen der Religion ist eine Reaktion auf wirtschaftliche Ausbeute, postkoloniale Abhängigkeit, steigender Armut und Ungleichheit.“
Schöne Erklärung. Könnte das vielleicht auch auf Deutschland zutreffen, wenn man Religion durch Politik ersetzt? Wobei der Islam in diesen Ländern ja ebenfalls staatstragend und damit politisch ist.
Die USA als Beispiel zu nehmen ist denkbar unvorteilhaft – der Gini-Koeffizient fällt seit langem stetig, die Ungleichheit im Land wächst. Die medizinische Grundversorgung ist trotz ObamaCare noch immer nicht vollkommen gesichert. Selbst wenn dir der Staat etwas zurückzahlen würde, hättest du nicht viel davon. Woher sollte dann überhaupt das Geld für den Ausbau von Infrastruktur und Bildung kommen? Zumal ist es auch so, dass der Sozialstaat eher umgebaut wird – Mindestlohn, Mütterrente, diverse Konzepte beim Erziehungsgeld sind soziale Maßnahmen, die Studiengebühren sind ebenfalls wieder gefallen.
Deutschland ist weltweit eines der beliebtesten Länder für Tourismus, und ja – auch für den Arbeitsmarkt. Ein denkbar kleiner Teil der qualifizierten Deutschen wandert aus – die Beispiele, die man in den Medien bei Auswanderersendungen sieht, zeugen auch nicht unbedingt davon, dass die Hochqualifizierten auswandern. Eine Studie der OECD zeigt sogar, dass die Auswanderer, die vermehr in die Schweiz, Österreich oder England auswandern (das sind statistisch die Top-Ziele) vorher in Deutschland arbeitslos waren.
Die doppelte Staatsbürgerschaft hat vor allem den Zweck, dass im Falle der Nachkommen der türktischen Gastarbeiter z.B., Familien nicht mehr vor der Wahl stehen, in welches Land sie gehen müssen, wenn sie aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden. Die jungen Nachkommen, die auch in Deutschland geboren wurden, haben also eine bessere Perspektive für ihre Karriere und sind somit die zukünftigen Einzahler in die Kassen.
Zur Politik gehört übrigens auch, dass man den Kurs wechselt, wenn man Fehler macht – es ist keine reine Verwaltung, die da stattfindet, sondern ein ständiges Ausloten von Vor- und Nachteilen der Gesetzgebung. Wenn man glaubt, dass Politik wie ein administrativer Job von Statten geht, ist das eine realitätsferne Idee.
Deutschland und die postkoloniale Abhängigkeit? Klingt für mich nach Aluhut. Ja, es gibt ein Problem mit der Umverteilung, ja, es gibt Menschen, die auch von relativer Armut betroffen sind – aber in einem der reichsten Länder von dem großen Drama zu reden, bleibt für mich einfach vermessen.
Es zeugt von einer gewissen Ironie, dass du dich in deinem Artikel darüber beschwerst, dass es zu einer zunehmenden Verrohung des politischen Diskurses kommt und gleichzeitig einen Beitrag dazu leistest.
Schon im Titel klassifizierst du eine ganze politische Richtung ab. Du machst dies nicht über eine differenzierte, tiefere Argumentation, sondern bezeichnest die Angesprochen als Rattenfänger und deren Anhänger als Ratten. Du beziehst dich dabei auch nicht explizit auf Rechtsradikalismus, sondern pauschal auf rechte Meinungen.
Es sind sprachliche Entgleisungen wie diese, die zu einer Verschärfung des politischen Diskurses und zu einer Verhärtung der Fronten führen. Warum sollte man – ob links oder rechts – noch den Dialog suchen, wenn man vorher als Ratte, Rattenfänger, Pack, Abschaum oder gleich als nicht menschlich (siehe Tillich) bezeichnet wurde. Generell scheinst du sehr fluide zwischen rechts, rechtsradikal und rassistisch zu wechseln und alle drei Begriffe mehr oder weniger Synonym zu verwenden. Zumindest triffst du keine erkennbare Differenzierung.
Teil eines funktionierenden Diskurses ist der gegenseitige Respekt voreinander – auch oder gerade wenn man nicht der gleichen Meinung ist. Es gibt durchaus bedenkliche Tendenzen in der AfD. Dennoch sollte man anerkennen, dass die Partei recht heterogen ist. Die AfD in Sachsen unterscheidet sich stark von der AfD in Baden-Württemberg.
Der Undifferenzierte Umgang mit solchen Begriffen wird letztlich nicht der Popularität der AfD im Wege stehen, sondern die Begriffe selbst und das Stigma, das mit der Verwendung einhergeht, schwächen. Am Ende wird den AfD-Gegnern ein glaubhaftes Vokabular gegen echte rechtsradikale Parteien fehlen.
Ich finde, die Metapher des Rattenfängers von Hameln passt sehr gut – es geht im Artikel ja um die neuen, modernen rechten Politiker, die wie mit einer Flöte überzeugende Töne von sich geben – das Credo: „Wir sind das Volk“.
Die AfD ist natürlich heterogen – so wie jede Partei – aber grenzt sich selbst nicht ab. Es ist kein Zufall, dass es extreme Tendenzen gerade bei der AfD so zum Fruchten kommen, die Rhetorik begünstigt diese Entwicklung, auch die Bildsprache (siehe diesen Artikel: https://alicegreschkow.com/2016/01/30/kein-bock-auf-konfliktloesung-warum-es-sich-gut-anfuehlt-wutbuerger-zu-sein/)
Ich weiß, dass es ein einfaches Argument ist, jemandem zu sagen, er oder sie würde nicht differenzieren und deswegen könne man die Meinung nicht wirklich ernst nehmen, allerdings finde ich es auch vermessen eine Differenzierung zu erwarten, wenn ein Björn Höcke scharf an der Volksverhetzung vorbeischrammt, während Frauke Patry auf Stateslady macht.
Parteipolitik muss Leitlinien entwickeln, Kennzeichen. Bevor die Profile von SPD und CDU durch die Groko erodierten, wusste man, dass die einen für Arbeitnehmerrechte stehen, die anderen für konservative Werte. So funktioniert Parteipolitik, so funktionieren auch Wähler. Sehr wenige Menschen haben die Zeit und Energie neben Familie, Beruf, Freizeit und Berufsleben die einzelnen Facetten einer Partei zu differenzieren oder sich ein Wahlprogramm durchzulesen. Es geht also sehr wohl um Image, Campaigning und Stroytelling, wenn sich eine Partei positionieren will. Wenn sie sich selbst nicht von den radikalen Extremen innerhalb der eigenen Strukturen abgrenzt, fließt das eben mit ein, obwohl der Gründungsgedanke sicher ein anderer war.
Hihi,
im Vergleich zu den anderen Kommentaren wird meiner richtig kurz: Da ich diesen Artikel super finde, habe ich den grade meinen Lesern empfohlen: http://www.mewasabi.com/hot-to-know-rechtsextremismus-in-deutschland-mit-infografik/
Schönes Wochenende,
Anne
Moin,
ich schließe mich Anne an und teile einen Artikel, der konkreter macht, auf welcher medialen Basis die Anhänger von Pegida dieser Tage aufbauen. Mich schaudert es und zugleich fordere ich dazu auf, die erwähnten Quellen der letzten Infografik genauer anzuschauen: http://www.sueddeutsche.de/politik/facebook-auswertung-das-gefaehrliche-weltbild-von-pegida-1.2835993
Danke für deinen Artikel Alice!
Gruß
Lukas
Hey!
Vielen Dank für deinen Kommentar und den Artikel – sehr spannend!
Beste Grüße
Alice
Erst einmal möchte ich sagen, dass ich es bemerkenswert finde, dass Sie diesen Blog schön gestaltet und übersichtlich aufgebaut haben, wahrscheinlich auch noch nebenbei. Da ich Ihre Kommentare gelesen habe, sind mir einige Sachen aufgefallen die ich gerne kommentieren würde. Zu erst einmal ist das schöne an der Politik doch, dass sie nicht wirklich komplex ist und jeder Mitstreiten kann. Da verschiedenen Menschen in diesem Land leben werden Sie auch auf verschiedenen Ansichten treffen. Gerne würde ich Ihnen den Rat geben sich nicht all zu sehr von politischen Ideologie leiten lassen sonder bei einigen Themen der Wissenschaft zu vertrauen. Zuerst einmal ist es wichtig, dass Deutschland vorallem bei Migranten beliebt ist, die aus finanziell schwachen Ländern kommen, was daran liegt, dass es hier einen ausgeprägten Sozialstaat gibt, der sich um jeden Bedürftigen kümmert. Die weltweite Bildungselite kommt schon lange nicht mehr nach Deutschland. Wir haben es also mit einer sehr hohen Anzahl von Migranten aus schwachen Ländern zutun. Das ganz große Problem ist allerdings, dass es in einem so ausgeprägten Sozialstaat wie Deutschland schon eine extrem hohe Arbeitsqoute gibt (die veröffentliche hat damit nichts zutun, da zuviel rausgerechnet wird) was zwangsläufig zu der aktuell diskutieren Zuwanderung in Sozialsysteme führt. Man sollte sich auch im Klaren darüber sein, dass es Deutschland so gut geht aufgrund einzelner Unternehmen, die Politik hat damit wenig zutun. Der von Ihnen angesprochene Rekordüberschuss mag richtig sein, nur bezahlt sich Deutschland diesen selbst (Stichwort Targetsalden). Sie müssen sich das so vorstellen, dass Deutschland zuerst von der EU profitiert, da es zu keiner Aufwertung der Währung kommt, so können die Exporte steigen jedoch werden diese Exporte zu großem Teil durch Gelder finanziert die über Umverteilungsmechanismen von Deutschland zu den Käufern fließt, die deutschen Unternehmen machen dadurch Ihr Geld, jedoch haftet im Falle eines Zahlungsausfalls das Land Deutschland (sehr vereinfacht ausgedrückt). Sich auf die Sendungen bzgl. deutscher Auswanderer zu verlassen, halte ich für äußerst riskant, da die Zahlen der akademischen Auswanderern deutlich steigen im direkten Vergleich zu den Vorjahren was vor allem mit unwürdigen Arbeitsbedingungen und fehlender Anerkennung für Wissenschaftler zutun hat. Das Problem der islamischen Migration mit Wohnqouten oder Umverteilung zu verhindern, wird ebenfalls in der Praxis nicht funktionieren können. Vergessen Sie bitte nicht, dass Wohlstand bzw. ein Wohlfahrt Staat nur durch Produktivität entstehen kann, sollten Ihre Argumente dahin gehen, den Besserverdienern noch mehr zu nehmen und das müssen Sie denn eine Umverteilung bzw. Wohnqouten sind nur so finanzierbar, werden Sie langfristig diesen Wohlfahrtsstaat komplett zerstören wie ökonomische Modelle beweisen. Ich lege Ihnen für den Grundsatz den Keynesianismus nahe. Zuletzt finde ich es äußerst gewagt die Politik der AfD dermaßen in eine Ecke zu stellen, doch das scheint aktuell sehr in Mode zu sein um von eigener Inkompetenz abzulenken auf politischer Ebene.
Hallo!
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar.
Die Art der Immigration nach Deutschland zu hinterfragen, ist wichtig, dazu gehört für mich auch breiter nach den Gründen der Einwanderungsstrukturen zu suchen, als alles auf den Sozialstaat zu schieben. Zum einen sehe ich es so, dass es allein von der globalen Verteilung her schwieriger ist, Menschen aus wirtschaftlich stärkeren Ländern nach Deutschland zu locken, da Deutschland bereits in der globalen Spitze angesiedelt ist – der rein quantitative Anteil der Mesnchen, die also hierhermigrieren können ist größer in wirtschaftlich schwachen Ländern gegeben. Zum anderen darf man die z.T. rückständigen Beschäftigungsmodelle nicht vergessen. In Deutschland werden bisweilen sehr wenige Studienprogramme auf Englisch angeboten, ebenso wird im beruflichen Kontext Deutsch auf sehr gutem Niveau vorausgesetzt. In den skandinavischen Ländern hat man besonders durch englischsprachige Programme den Weg in die Beschäftigung für Menschen reiche Ländern ebnen können, die auch höher qualifiziert sind.
Ferner bin ich mir nicht sicher, ob Ihr Ratschlag sich stärker an der Wissenschaft zu orientieren, immer sinnvoll ist – manchmal endet das im argumentativen Rosinenpicken. Während der eine sich auf Gramsci bezieht, redet der andere über von Hayek – beide können Recht haben, bis sie sich gegenseitig falsifizieren. Empirie ist zweifelsohne wichtig, aber auch kein fester Garant für Richtigkeit. Dies sieht man auch an der Entwicklung unterschiedlicher Mainstreams in der Volkswirtschaft.
Und doch, ich denke, gerade in politischen Debatten ist es wesentlich, auch eine ideologische Leitlinie zu haben – es wäre vermessen zu glauben, dass man Millionen Bürger schlicht mit wissenschaftlichen Thesen beeindrucken könnte. Es braucht mehr als das – es braucht identitätsstiftende Motive, die Bürger kollektiv verbinden, sodass sie langfristig an Politikprozesse gebunden sind und selbst aktiv werden.
Warum es Unternehmen gut geht, ist für mich auch stets eine Frage des Umfeldes – wie stark ist die Regulatorik? Wie wird gegen Korruption vorgegangen? Wie ist das Steuerrecht? Das sind alles Punkte, die von der Politik gestaltet werden.
Auch wäre ich vorsicht damit, die Kritik an der AfD als Mode zu bezeichnen, um von eigener Inkompetenz zu erreichen. Das mag in Teilen in den Medien stimmen, aber ich denke, dass es im Kern darum geht, welche Grenzen systematisch überschritten werden – die AfD bedient sich genausowenig an wissenschaftlicher Argumentation wie andere Parteien, die Rhetorik ist mE riskant und infrage zu stellen, wie viel rechtes Potenzial man tolerieren möchte, ist genauso ein angemessener Teil des Diskurses wie die Pauschalisierung seitens der AfD gegenüber den anderen Parteien als „Einheitsbrei“.