Die Klimadiskussion enttarnt zwei Trugschlüsse

Vor einigen Wochen musste man noch in Richtung USA schielen, wenn man Klimagegner in Aktion beobachten wollte, nun reichen auch die Sondierungsverhandlungen zwischen der Union, Grüne und FDP. Kompromisse bei Kohleausstieg und Verbrennungsmotor, Verschiebung der Klimaziele um 30 (!) Jahre und die Denunziation von Umweltschutz als Ideologie – ein Feuerwerk von rückwärtsgewandten Aussagen brach binnen weniger Tage über uns ein. Der Umgang mit dem Klimawandel ist damit nicht nur bedroht, er legt auch zwei Falschannahmen offen: Erstens, dass die „junge Generation“ es richten würde und zweitens, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben.

Die Jugend wird es nicht richten

Da die Folgen des Klimawandels erst in einigen Jahrzehnten zu spüren sein werden, hoffen viele auf die heutige junge Generation – sie würde sich den Herausforderungen des CO2-Ausstoßen annehmen, Umwelt vor Profitgier stellen und einen nachhaltigen Lebensstil pflegen. Pustekuchen! Man nehme Christian Lindner und Katja Suding als Beispiele – mit 38 bzw. 41 Jahren sind die beiden FDP-Politiker noch relativ jung im Vergleich zu anderen Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft. Zu Sensibilität beim Thema Klimaschutz hat das zarte Alter Lindners dennoch nicht geführt. Katja Suding äußerte sich diese Woche zu den Klimazielen und empfand das Jahr 2050 als viel realistischeren Zeitrahmen als 2020 für das Erreichen der Klimaziele. Toll – bis dahin wird sie auch längst in Rente sein und wird sich nicht über Regierungsverantwortung den Kopf zerbrechen müssen. Klimapolitik wird auf die lange Bank gesetzt.

Weitere Beispiele für Engagement junger Menschen gegen den Klimawandel sind die Junge Alternative und die „Partei der Vernunft“. In beiden Gruppen gibt es eine starke wirtschaftsliberale bis libertäre Strömung, die Klimapolitik als Einschränkung der persönlichen Freiheit betrachtet und grundsätzlich die Ergebnisse der Klimaforscher anzweifelt. Als unverhältnismäßig und ideologisch verbrämt werden die Kosten für den Umweltschutz dargestellt. Der Liberalismus greift in diesem Verständnis kurz: es geht um die wirtschaftliche Freiheit für Unternehmen, die durch Umweltschutz höhere Kosten zu tragen hätten, aber auch um die Kompromisslosigkeit bei einem selbst. Die langfristige Freiheit vor Umweltzerstörung, Bedrohung des Lebensraums und der Herausforderungen durch steigende Meeresspiegel und damit einhergehenden Migrationsbewegungen scheint zu abstrakt zu sein. Möglicherweise ist auch schlicht die Fixierung auf das übergroße ICH ein Hindernis – das eigene Verständnis von Freiheit und vor allem die Bequemlichkeit gehen vor!

Wir rütteln an den Säulen der Wissensgesellschaft

Wodurch die fehlende Bereitschaft auch unter jungen Menschen kommt, sich dem Thema Klimawandel anzunehmen, scheint logisch: Falsch- und Desinformation. Dies ist hochgradig gefährlich – nicht nur bei diesem Thema, sondern für die demokratische Kultur! Im Falle des Klimawandels sagen 98 von 100 Wissenschaftlern, dass der Mensch zum Klimawandel beiträgt. Das Phänomen ist viel zu komplex und multidimensional, um alles auf den Menschen zu schieben, aber der Umgang mit fossilen Brennstoffen und die Landwirtschaft sind wesentliche Faktoren, von der die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler warnt. 2 von 100 Wissenschaftlern bezweifeln den menschlichen Einfluss.

Nun gibt es zwei Arten, wie wissenschaftliche, empirische Ergebnisse an Durchschlagskraft verlieren. Falschinformation, die durch Gerüchte, gefährlichem Halbwissen oder Ignoranz entsteht, verbreitet sich schnell – der Anteil der Skeptiker der menschengemachten Schäden wirkt viel größer, als er eigentlich ist. Viel gefährlicher ist die gezielte Desinformation, die bewusste Verbreitung von Lügen.  Durch Relativierung von Tatsachen oder „Gegenbeweisen“ sollen die Bürger davon überzeugt werden, dass der Klimawandel kein echtes Problem darstelle und es sich lediglich um eine Meinung handle, dass wir zukünftig mit den Konsequenzen leben müssen. Zusätzlich werden Klimaschützer als manische Fanatiker dargestellt und denunziert, auf diese Weise soll ihre Glaubwürdigkeit untergraben werden.

Die Streuung von Lügen ist ein Instrument, um eine Agenda zu erreichen. Sehr viel gravierender als in Deutschland verläuft der Diskurs in den USA. Scott Pruitt, der Umweltschutzminister, ist ehemaliger Erdöl-Lobbyist – diese Tatsache grenzt an Realsatire. Außenminister Rex Tillerson war Geschäftsführer des Erdölkonzerns ExxonMobil. Damit stehen zwei Kabinettsmitglieder in direkter Verbindung zu Branchen, die ein Interesse daran haben, dass fossile Brennstoffe weiterhin gefördert werden. Das Bild runder Energieminister Rick Perry ab, der den CO2-Ausstoß als Hauptproblem des menschlichen Verhalten bezweifelt. Dass der Klimawandel politisch ein unerwünschtes Thema ist, erschließt sich jedem.

Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschung so scharf angegriffen wird, dann rüttelt dies an der Wissensgesellschaft und ein sachlicher Austausch von Argumenten ist nicht mehr möglich – alles verkommt zu einer Meinung und derjenige gewinnt die Debatte, der am lautesten und effektvollsten brüllt. Aus diesem Grund beanspruchen auch die Partei der Vernunft auch die Deutungshoheit und die Weisheit für sich – sie setzen strategisch der Wissensgesellschaft ein Modell entgegen, das verwirrt und Experten diskreditiert. Das hat auch schon beim Brexit hervorragend geklappt.

Ferner untergräbt diese Entwicklung unsere Bildungs- und Forschungseinrichtug. Wenn Experten und Forscher aus Universitäten oder Fachinstituten als irrelevant abgetan werden, dann geht uns ein Quell des Wissensgewinns in der Entscheidungsfindung verloren. Pseudowissenschaftler, die im Zweifel gefährliche Botschaften postulieren, können in der Folge an mehr Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit gewinnen.

Keine Lösung in Sicht

Für politische Entscheidungen ist es wesentlich, dass eine langfristige und nachhaltige Strategie zugrunde liegt, um ein Ziel zu erreichen. Gesellschaftlicher Wandel oder die Entwicklung neuer Technologien sind Prozesse, die nicht über Nacht klappen können – genauso ist es mit dem Erreichen der Klimaziele. Wenn bei solch einem Thema eine erratische Politik ohne Stringenz umgesetzt wird, die sich lediglich an der aktuell dominanten Meinung, anstatt an sachlichen Erkenntnissen richtet, so verpufft jegliche Bemühung. Gerade bei einem Thema wie dem Klimaschutz, das ausnahmsweise tatsächlich auf wissenschaftlichen Befunden aufgebaut werden kann, ist es erschreckend zu sehen, wie weit die Desinformation vorangeschritten ist.

7 Kommentare zu „Die Klimadiskussion enttarnt zwei Trugschlüsse

  1. Ein grundlegendes Problem beim Thema Klimawandel ist für mich der Konsum, die Idee vom andauernden wirtschaftlichen Wachstum, dieser Idee und ihren Auswirkungen verfallen Jung und Alt gleichermassen

  2. Klar risikobewusstes Handeln wäre, den wahrscheinlichen Einfluss auf das Klima, durch entsprechende Maßnahmen deutlich zu reduzieren. Denn auch wenn entgegen aller Wahrscheinlichkeit und Indizien unser Einfluss nicht wesentlich wäre würden wie dann auf Nummer sicher gehen. Aber Menschen handeln bei unbestimmten statistisch wahrscheinlichen Bedrohungen selten intelligent. Raucher rauchen weiter, Autofahrer fahren mit zu wenig Abstand zu schnell usw.. Erst wenn der Krebs da ist oder der Wind das Dach abhebt …..leider

  3. Der Klimawandel ist Realitaet und kann nicht „geleugnet“ werden. Dazu kann man sich die Spuren der letzten Eiszeit vor 10 000 Jahren ansehen. Leider kann man aus Unwettern (Hurrikane, Starkregen usw) den Einfluss des Menschen nicht nachweisen sondern nur vermuten. Verblueffend wieviele gebildete Menschen auf diese Fake News hereinfallen. Auch Galileo und Einstein hatten Recht obwohl die Mehrheit der Wissenschaftler anderer Meinung war.

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