Wahlkampf 2017 – ich bin genervt und gelangweilt zugleich. Die Parteien bewerfen sich gegenseitig mit Dreck, auch wenn sie insgeheim überlegen müssen, mit wem sie gerne koalieren möchten. Ja, die Effekthascherei gehört dazu, man muss ja die Wechsel- und Erstwähler erreichen. Aber gerade, wenn es um die Erstwähler geht, sehe ich nicht, wie die Politik aktuell Stimmung machen möchte – niemand vertritt eine positive Zukunftsvision mit der Begründung, dass es uns doch sowieso ganz gut geht und die Leute keinen Kurswechsel möchten. Lediglich die Nuancen seien entscheidend. Das stimmt für viele Menschen in stabilen Lebensverhältnissen und Deutschland ist auch erstaunlich robust in Bezug auf wirtschaftliche Krisen gewesen, aber kaum jemand macht sich die Mühe zu schauen, wie es der Jugend geht. Steuern und Rente – wird damit etwa wieder Wahlkampf gemacht?
Vergangenen Monat war ich zurück in Niedersachsen und stattete meinem ehemaligen Gymnasium beim Berufs- und Zukunftstag einen Besuch ab. Ich war so forsch und habe mich selbst eingeladen, um die Schülerinnen und Schüler über Stipendien zu informieren, weil jener Lehrer, der mich früher dafür motiviert hat, mittlerweile im Ruhestand ist. Zuvor hatte ich mit einigen Schülern aus der Oberstufe gesprochen und mir fiel die Kinnlade runter – so viel Angst, Skepsis und Zweifel über den eigenen Berufsweg gab es vor 10 Jahren nicht als ich gerade in die Oberstufe kam. Als ich mein Abitur abschloss, hatte ich den Eindruck, dass der Großteil meiner Mitschüler motiviert ist und – natürlich jugendlich-überschwänglich – an die eigenen Möglichkeiten glaubte. Ob Studium, Ausbildung oder Auslandsaufenthalt – die meisten wirkten entspannt. Wenn ich jetzt mit 18-Jährigen rede, überkommt mich das Gefühl, dass diese Generation so sehr an Krisensituationen gewöhnt ist (EU-Krise, Griechenland-Krise, Brexit, Trump), dass sie sich so stark wie möglich absichern möchte und auch nicht mehr an den eigenen Aufstieg glaubt. Möglicherweise ist es auch mehr Leistungsdruck durch G8, ein verkorkstes Bologna-System und hohe NCs. Was auch immer es ist – der Optimismus, der gegenwärtig in Unternehmen zu finden ist, ist noch nicht bei der Jugend angekommen.
Das ist insofern problematisch, weil immer mehr junge Menschen – vor allem in Ausbildungen! – von Depressionen betroffen oder im Studium wegen des Leistungsdrucks Burnout-gefährdet sind und nicht einmal die Sicherheit haben, ob sie überhaupt eine solide Rente erhalten werden. Prognosen über Altersarmut und das sinkende Rentenniveau gehen auch an jungen Menschen nicht einfach so vorbei. Dass wegen des demografischen Wandels allerdings seitens der Politik mehr Aufmerksamkeit den älteren Wählern geschenkt wird und dies auch mit dem einen oder anderen Rentenpaket prämiert wurde, ist mittlerweile keine Überraschung. Was aber tun mit der Jugend? Man kann jetzt sagen, dass sie sowieso ihr ganzes Leben vor sich haben und erst einmal ordentlich arbeiten sollen, so wie es die Generationen vor ihnen getan haben. Ja, sicher, aber die Generationen zuvor hatten auch Visionen für eine bessere Zukunft – eine Idee davon, wie das Leben perspektivisch noch besser werden kann, anstatt am Status Quo festzuhalten.
In meinem persönlichen Horrorszenario wachsen aktuell ganz viele obrigkeitshörige Biedermeier heran, die sich ins Private zurückziehen, kein Verständnis von ihrer Rolle in der Gesellschaft haben und somit auch keine Verantwortung und Solidarität anderen gegenüber aufbringen können und sich nicht um die politische Entwicklung des Landes scheren, weil die eigene Sicherheit das einzig Wichtige ist. Ich habe mir häufig anhören müssen, dass meine Generation bereits recht angepasst, egoistisch und lethargisch ist und mittlerweile verstehe ich diese Kritik. Die Kombination aus glattem Karrierismus und Flucht in den Hedonismus führt natürlich dazu, dass man keine Zeit hat, um darüber nachzudenken, in welcher Gesellschaft man leben möchte. Wird es bei der kommenden Generation genauso oder sogar krasser? Zumindest prognostiziert man, dass Jugendliche heute bereits die Trennung des Privaten und Beruflichen anstreben – ohne Flexibilisierungsmechanismen, mit denen man die Arbeit nach Haus mitnehmen kann. Stabilität statt Selbstverwirklich soll im Vordergrund stehen.
Die Suche nach ebendieser Stabilität verbunden mit der Resignation über die Kette von Krisen wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Auseinandersetzung mit Politik in punktuellem Aktionismus (bspw. bei NGO-Arbeit, mit der man unmittelbar Leute erreichen kann) ausgelebt wird, anstatt in langfristigem politischen Engagement und Commitment. Es ist ein Teufelskreis – Resignation und fehlender Glaube führen zu mangelnder politischer Aktivität, mangelnde politische Aktivität junger Menschen führt dazu, dass die Entscheidungsträger ihre Interessen nicht auf dem Schirm haben. Dabei gibt es so viele Punkte, die für junge Menschen und Berufseinsteiger relevant sind, da sie die zukünftigen Arbeitnehmer und Geschäftsführer dieses Landes werden. Diesen Zyklus langfristig zu durchbrechen, ist eine Mammutaufgabe und die Frage nach dem Ei und der Henne kommt auf – müssen zuerst die Jungen aktiv werden oder schuldet nach den Jahren der vermeintlichen Alternativlosigkeit und den Krisen die Politik der Jugend nicht endlich wieder eine Zukunftsvision, für die es sich zu kämpfen lohnt?
Und so ein Berufsleben ist kurz, in vielen Berufen bist du ab spätestens 50 alt.
Der Festvertrag mit dem tollen Gehalt kann zur Falle werden, spätestens,wenn das Unternehmen eine Unternehmensberatung konsultiert hat.
DennPraktikum, Jahresverträge etc. sind günstiger und die Jungen heiß auf den Job und lose Versprechungen. Gewerkschaft kennen sie nur als Fremdwort.
Die Politik schuldet nicht nur der Jugend eine Zukunft, nein, auch den 45-67 Jährigen.
Der organisatorische Überbau, der als Staat bezeichnet wird (obgleich der Begriff „Markt“ viel treffender ist), ist geprägt durch die korrupten politischen Cliquen in den Parlamenten, deren Verhalten allein schon die Mär der Demokratie entlarvt, ist beseelt von einer Mentalität der Übervorteilung, die rechtfertigt, dass jeder jeden über den Tisch zieht und wird benebelt von der bildungsbürgerlichen Vorstellung, in einer Klassengesellschaft nah am Feudalismus gebe es eine Gleichheit aller Menschen. Diese Gesellschaft hat eine Generation an Verlierern herangezüchtet, deren Subjekte an den ökonomischen und sozialen Aufstieg (aka Karriere durch Arbeit) glauben und versuchen, sich mit vollem Einsatz gegenseitig auszustechen und sich somit freiwillig zum Objekt degradieren – Modelliermasse, aber kein Widerstand. Diese Generation müsste erst einmal ein Klassenbewusstsein entwickeln, und jeder Einzelne die Frage beantworten, auf welcher Seite der Barrikade er steht – bei den Besitzlosen oder den Besitzenden. Und je nach Position bekämpft man seine Feinde.
Sehr gut beobachtet – allerdings muessen die Visionen von der Jugend kommen allenfalls in Verbindung mit einigen jung gebliebenen Alten. In Deutschland geht es den Jungen mit dem Geld der Alten noch zu gut. Deshalb wird wohl wieder eine Reagierung gewaehlt.
Der kleinste gemeinsame Nenner nebeneinander lebender Gruppierungen mit unterschiedlichen familiären und kulturellen Bindungen ist das persönliche Fortkommen. Das Gefühl nichts am Kurs ändern zu können und das Ahnen des Scheiterns führt zu Lethargie. Bei Zusammenschluss ideologiefreier freundlich gesonnener Menschen könnte mit einer Zielformulierung Einfluss auf absehbare Entwicklungen genommen werden.
Ich weiß nicht, auf wie viele junge Menschen das so zutrifft, aber wenn sich ein Abiturient Gedanken um die Rente macht, dann läuft etwas gewaltig schief. Ich glaube, dass jeder Mensch irgendwann im Leben eine Phase der Sorglosigkeit haben dürfen sollte und wann wäre die Zeit dafür wenn nicht nach dem Abitur? Ich wünsche wirklich jedem (jungen) Menschen, das Bewusstsein, dass ihr oder ihm viele Möglichkeiten offen stehen und frei von Zukunftssorgen zu sein.
Ich erlebe in meinem Umfeld an der Uni leider auch, dass die Absolventen sehr skeptisch in die Zukunft schauen. Und ich sehe mit Bedauern, dass einigen von ihnen die Selbständigkeit fehlt, und dass in Schule und Universität viele Entwicklungen in eine Richtung gehen, die das Entwickeln von Selbständigkeit und Selbstbewusstsein nicht fördern.
Ich glaube, das Problem liegt auch ein wenig beim demografischen Wandel. Von uns jungen Menschen gibt es einfach so verdammt wenige, dass wir im Wahlkampf für die Politiker bestenfalls noch am Rande interessant sind. Warum auch aufwendige, risikoreiche und teure Zukunftsvisionen ausarbeiten, wenn man einfach einen bei der Rente obendrauf packen kann und so die potenziellen Wähler 50+ erreicht?