Wenn Politiker reden – zwischen pöbeln und predigen

Politiker müssen den Balanceakt schaffen, für den Durchschnittsbürger realitätsnah, verständnisvoll und wie „einer von uns“ zu wirken und gleichzeitig Würde, Weitsicht, Diplomatie und Verantwortungsbewusstsein ausstrahlen – und scheitern immer wieder mit dieser Aufgabe. Dabei ist es jedoch besonders wichtig, wie Politiker sprechen und handeln, denn sie werden als Teil einer Elite und des staatlichen Machtzentrums begriffen und senden damit das Signal, dass ihr Tun der Weg zum Erfolg sei.

Ob in Talkshows oder auf sozialen Medien – Politiker aller Parteien nutzen die öffentliche Bühne, um sich zu profilieren und vergessen dabei nicht selten ihre Kinderstube. Beleidigungen, Angriffe, Respektlosigkeiten und gehässige Sticheleien scheinen zum Show-Effekt und dem Abbau der inneren Aggressionen zu dienen. Während des Wahlkampfes und den gegenwärtigen Versuchen zur Regierungsbildung tanzen die Dobrindts des Landes noch lieber Niveaulimbo. Aber zu welchem Preis?

Zwar möchte man sich vor der eigenen Wählerschaft mit der Kombination aus aufgeblasener Eitelkeit und Kampfparolen als durchsetzungs- und willensstark profilieren, zerstört dabei jedoch den eigentlichen Effekt, den Politiker haben sollten: den sozialen Frieden sichern. Es mag sein, dass einigen Wählern das Rumgepolter imponiert, ich behaupte jedoch, dass der Hahnenkampf langfristig Seriosität kostet. Angela Merkel konnte ihre Popularität im Lande bis zur Flüchtlingskrise mitunter deswegen sichern, weil sie besonnen, ruhig, bedacht und höflich wirkte. Die ruhige Art der Kanzlerin schien einen beruhigenden Effekt auf die Deutschen zu haben.

Der aktuelle Politikton ist jedoch pöbelnd. Mal wieder. Die AfD hat dies die Beleidigungen in der Politik nicht erfunden, sie jedoch nur verschärft und massenwirksam verbreitet. Das Problem, wenn Politiker jedoch selbst menschenverachtend, gewaltbereit oder schlicht entwürdigend kommunizieren, ist, dass dies nie im Vakuum passiert, sondern im öffentlichen Diskurs stetig die Norm für den zwischenmenschlichen Umgang beeinflusst. Aggression, Skepsis, Abwertung, Respektlosigkeit anderen gegenüber werden normal.

Für die Politik ist leidenschaftlicher Streit um Ideen und Mehrheiten zwar essenziell, jedoch gibt es keine Rechtfertigung dafür in ein Niveau abzurutschen wie bspw. AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die tweetete, dass die AfD das Fleisch vom Kadaver der Kanzlerin reißen würde. Der Tweet wurde später gelöscht, von Storch benutzte die beliebte Ausrede, dass ihr Team die Nachricht verfasst hätte, aber wahrscheinlich fiel ihr lediglich auf, dass sie sich mit einem Aasgeier verglichen hatte. Genug Menschen hatten die Botschaft jedoch bereits gelesen.

Zu einem gewissen Grad kann man diese Effekthascherei nachvollziehen, jedoch endet bei mir jegliches Verständnis, wenn Politiker gegen die Wählerinnen und Wähler schießen. Wer den Anspruch hat zu regieren, muss alle Bürger vertreten und nicht nur seine eigene fragmentierte Zielgruppe ansprechen. Es war ein Fehler von Sigmar Gabriel Nazis als „Pack“ zu bezeichnen, es ist verantwortungslos von der AfD ständig gegen „rotgrüne Gutmenschen“ zu wettern – woran sich mittlerweile auch die Unionspolitiker Alexander Dobrindt und Julia Klöckner angeschlossen haben. Politiker verlieren durch solche Aktionen ihre Diskursfähigkeit. Sie werden zu Pöblern.

Das Beispiel von Sigmar Gabriel ist dabei besonders interessant – in seinem Amt scheint er wie der Phoenix aus der Asche auferstanden zu sein, seine Beliebtheitswerte sind hervorragend. Dies hängt nicht nur mit seiner Position als Außenminister zusammen, sondern auch mit der damit verbundenen Ruhe, die er nun ausstrahlt. Zwei Drittel der Bürger möchten ihn mittlerweile in einer stärkeren Position in der SPD sehen – wer hätte das vor zwei Jahren gedacht?

Während Politiker in der Öffentlichkeit jedoch ein neues Image für sich oder ihre Partei kreieren können (siehe Christian Lindner), akkumuliert sich für die Bürger die Aggression in den sozialen Medien – und Politiker greifen diese Stimmungen wiederholt auf. Es ist eine Negativspirale, bei der man die Klischees, Abwertungen, Vorurteile und Beleidigungen voneinander adaptiert. Ob „Gutmensch“, oder „Pack“ – wenn Politiker vorleben, dass es in Ordnung ist gegen die Mitbürger zu pöbeln und lediglich ihre kleine Wählergruppe zu repräsentieren, braucht sich langfristig niemand mehr zu wundern, wenn die Gräben in der Gesellschaft immer tiefer werden.

Was und wie medial debattiert wird, hat langfristig eine Wirkung auf uns. Die ausgesprochenen Worte bilden den Rahmen von dem was man als normal empfindet – dieser Rahmen hat sich stärker in eine aggressive Richtung bewegt in den vergangenen Jahren. Das ist zum Teil bewusst durch extreme Provokationen geschehen, um die Stimmung in eine bestimmte Richtung zu manipulieren, zum Teil ist es auch Folge von Impulsivität und fehlender Besonnenheit. Unabhängig davon, warum manche Politiker sich immer wieder dafür entscheiden, aggressiv anstatt schlichtend auch Bürgern gegenüber zu kommunizieren, werden sie ihrer Verantwortung nicht gerecht das Land und die Gesellschaft konstruktiv zu gestalten.

 

 

 

3 Kommentare zu „Wenn Politiker reden – zwischen pöbeln und predigen

  1. Jawollja! Danke für diesen ernstzunehmenden Text.
    Man liest zur Zeit häufig ähnliches über die Verantwortung der Bürger, sich nicht zu weit voneinander zu entfernen und andere Meinungen zu akzeptieren. Das ist an sich schön und gut, aber wie soll das funktionieren, wenn die Mächtigen, die Politiker nicht nur unseren Landes, auf diese Nettiquette des Diskurses scheißen?
    Natürlich sind wir Einzelnen trotzdem verantwortlich, die Welt im Kleinen nicht verkommen zu lassen, wenn sie es schon im Großen tut, finde ich.

    Grüße 🙂
    kolumnalpolitik.wordpress.com

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