Wie sollen sich Kinder eigentlich dahingehend orientieren, sie selbst zu sein, eigene Identitäten und Interessen zu entwickeln und das zu unternehmen, was ihnen Spaß macht, wenn es schon ein gewisses Diktat seit ihrer frühster Kindheit zu geben scheint, das ihnen zeigt, wie sie angeblich zu sein haben?
Ich schlenderte also durch den Supermarkt und sah sie – die pinken Überraschungseier. Sie sind immer noch da. Ich hatte gehofft, dass diese Entscheidung von Ferrero so schnell floppt, dass besagtes Produkt schnellstens aus den Regalen verschwindet, aber nein, es hält sich zäh.
Worum geht es?
Obwohl die Annahme naheliegend ist, dass viele Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht Schokolade und Spielzeug mögen – genau das wusste das Überraschungsei jahrzehntelang zu verbinden- , denkt Ferrero nun anders. Diesen Sommer kam das Schokoladenei „nur für Mädchen“ auf den Markt. Pinke Deko auf der Folie, sowie die Serie der Glitzer-Feen-Überraschungen sollten ab diesem Zeitpunkt das Markenzeichen der Girl-Power-Eier sein. Großartig. Mädchen und Jungs lernen also schon bevor sie nur ansatzweise das Wort „Pubertät“ buchstabieren können, dass sie anders sind, andere Interessen haben und die einen am besten von den anderen getrennt spielen sollten. Mädchen sind halt anders – das vermittelt zumindest die Produktdifferenzierung -, deswegen verdienen sie ihre eigenen Produkte, die kleine Jungen nicht anfassen sollen und Mädchen wird eingetrichtert, sie seien wirklich anders und müssten in rosa herumlaufen, statt im Dreck zu spielen. Die verantwortungslose Botschaft des Produkts bedarf an dieser Stelle keine weitere Diskussion, die Absurdität spricht für sich. Vor meinem geistigen Auge tun sich Gräben zwischen den Geschlechtern auf, wenn Mädchen und Jungen diese stereotypischen Rollen wirklich annehmen sollten und glauben, dass sie tatsächlich so sein müssten, wie es ihnen beim alltäglichen Spielen unterschwellig unterbreitet wird.
Man hätte ja auch neutrale Spielsachen und Süßigkeiten herstellen können. Richtig, das hätte man, aber an dieser Stelle muss ich Ferrero unterstützen, denn die Kaufkraft von Kindern steigt, was in einem Artikel des Hamburger Abendblatts vor bereits vier Jahren deutlich wurde. Als Wirtschaftsunternehmen ist es natürlich in ihrem Interesse, neue Marktlücken zu finden, Absätze zu steigern und so weiter und so fort, viel Platz für Moral bleibt da nicht. Mit dem eigenen Taschengeld oder dem Hundeblick vor den Eltern – Kinder kommen oft leicht an ihre materiellen Wünsche.
Auch andere Unternehmen haben die Marktlücke „Mädchen“ für sich entdeckt
Lego ist inzwischen auch auf den Zug aufgestiegen. Die Serie „Lego Friends“ ist eine rosane Welt, in der fünf junge, hübsche Frauen im Mittelpunkt stehen. Mit Herzchentops, Miniröcken und Beschreibungen auf der Website wie „Ich mag zeichnen, liebe Klamotten und berate gerne meine Freundinnen was Schminke und Mode angeht“ verkörpern die Figuren das absolute Klischeebild einer Vorstadttussi. So sollen Mädchen also lernen, dass es um mehr als das Äußere geht und Jungen, dass Frauen schön und zart in ihrem Wesen sein sollen. Ich werde mich nicht wundern, wenn Frauen in 30 Jahren noch noch immer in Führungspositionen unterrepräsentiert sind und Männer vor „Alpha-Frauen“ noch immer zurückschrecken.
Ja, aber auch Lego findet aus marktwirtschaftlicher Perspektive seine Rechtfertigung für sein Handeln. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht.
Es wirkt seltsam, dass vor einigen Jahren Eva Herman in ihrem Buch „Das Eva-Prinzip“ die Rückständigkeit der Frau zurückforderte, das Betreuungsgeld wieder alte Familienbilder aufleben lässt, anstatt sich den modernen Lebenswelten anzupassen und die Industrie inzwischen Problemlos im pinken Sexismusbrei rumwühlt und es irgendwie doch so normal ist. Zur Gleichstellung ist es wohl ein langer – vielleicht sogar länger werdender – Weg. Wenn Männlein und Weiblein sich stets auf das fokussieren, was sie trennt, anstatt auf das, was sie verbindet, klappt das mit dem Respekt auch nicht so richtig.
Achja, in dem Mädchen-Ei war übrigens eine zusammensteckbare Robbe mit einigen Infos zu dem Tier (ich dachte, kleine Jungen finden Tiere auch spannend) und in dem klassischen Produkt eine Figur aus der aktuellen Serie – in pink, der Name: Big Love. Ach, süße Ironie.
Ich kann mich erinnern, dass es bei LEGO schon in meiner Kindheit „Mädchen spezifische“ Sachen gab ( google mal Paradisa Lego) , nur mal so als Randnotiz.
Warum mögen eigentlich so viele Mädchen Rosa und Pink?
Meine Nichte (2 Jahre alt) findet die Farben auch toll, obwohl ihre Eltern das nie unterstützt haben.
keine ahnung, ich fand grün toll, aber ich glaube nicht, dass das absolut unabhängig geschieht, es ist wie bei allen geschmacklichen dingen, die sind normalerweise individuell und es ist schon komisch, dass mädchen so auf pink und rosa stehen.
Lego hat gerade erst eine Pressemitteilung heraus gegeben, dass es zu wahrscheinlich zu erheblichen Lieferschwierigkeiten für die Friends-Sets zu Weihnachten geben wird. Auch wenn man hier wieder spezifisch rosa Welten für Mädchen erschaffen hat, die Nachfrage nach den Friends-Sachen boomen ohne Ende.
Was die Überraschungseier angeht – 30 Jahre oder so haben Jungs und Mädchen mit den gleichen Ü-Eiern leben könnnen. Diese Rosaversion halte ich persönlich auch für überflüssig. Da sie aber noch existent sind, scheinen die ja auch zu laufen.
Warum alle Mädchen irgendwie auf rosa stehen, muss wohl eine gentechnische Sache sein 😉
Ich finde es auch ganz doll furchtabr, dass die Wirtschaft versucht Dinge zu verkaufen und dabei experimentiert statt alle ihre Ressourcen dafür zu verwenden, Feministinnen glücklich zu machen. Menno!
Die Wirtschaft soll verkaufen, aber nur weil es „das System der Wirtschaft“ ist, Gewinn zu maximieren, muss man die mangelnde Corporate Social Responsibility Linie nicht unterstützen. Zumal man von Großkonzernen wie Ferrero auch mit progressiven Ideen experimentieren kann… oder ja, man kann einfach alles annehmen und schweigen.